Der Anfang (Teil 1) – Die Selbstüberschätzung

Aller Anfang ist schwer.

Nachdem ich mir im Juli 2003 bei einem Sportunfall die Ferse und das untere Sprunggelenk zertrümmert habe (keine Sorge – alles wieder gut) hatte ich, wohl oder übel, genügend Zeit, mich mit dem lang gehegten Gedanken, ein Buch zu schreiben, genauer auseinanderzusetzen. Wenn ich aus heutiger Sicht zurückblicke, muss ich unweigerlich lachen. Ich behaupte nicht, dass ich heute ein guter Schreiberling bin, aber damals war ich wirklich grottenschlecht. Ich hatte zwar viel Fantasie und die Worte sind mir leichtgefallen. Doch hatte ich leider überhaupt keine Ahnung vom Handwerk eines Schriftstellers. Ich dachte mir damals: Okay, ich schreib jetzt eine spannende Geschichte und dann reißen sich die Verlage um mich.

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Nach meinen ersten paar Seiten war ich heiß drauf, das vollbrachte meiner Kollegin – ihres Zeichens Lehrerin – unter die Nase zu halten. Als sie die ersten 3 der ca. 15 Seiten gelesen hatte, legte sie die Rohfassung (von der ich noch gar nicht wusste, dass man sie Rohfassung nennt) meines ersten Kapitels beiseite und sah mich an. Ich habe mich nicht gesehen, aber vermutlich habe ich sie angeschaut, wie ein Hund, der vor dem leeren Napf auf Fressifressi wartet. Hätte ich geahnt, welch ernüchterndes Kritikgewitter gleich über mich hereinbrechen würde, hätte ich mir den Blick gespart. Ich glaube mich zu erinnern, dass so Gedanken wie: Was, nach nur drei Seiten will sie mir schon sagen, wie unglaublich gut ich bin? durch den Kopf geschossen sind. Dann folgte die gesprochene Realität wie Donnerhall:

„Was soll das sein?“

Die innerlich aufsteigende Hitze versuchte ich zu ignorieren.

„Na, ein Thriller“, sagte ich mit (noch) stolzer Brust.

Sie zog die Augenbrauen hoch, wie nur sie die Augenbrauen hochziehen konnte.

„Willst du nicht lieber ein Sportbuch schreiben?“

Der Satz traf mich wie die Faust ins Gesicht. Ich fühlte, wie ich rot wurde.

„Außerdem solltest du auf die Rechtschreibung achten“, legte sie nach und verpasste mir damit einen weiteren verbalen Kinnhaken.

Auf die Rechtschreibung achten? Das wird der Lektor schon erledigen, dachte ich. Sie reichte mir die Blätter. Dass sie dabei das von mir erstellte Stück Weltliteratur wie faules Obst zwischen Daumen und Zeigefinger hielt, machte die Sache nicht angenehmer. Nachdem ich einen erneuten Blick auf meine Rohfassung (von der ich noch immer nicht wusste, dass man sie Rohfassung nennt) geworfen hatte, viel mir einiges auf. Erstens, gib nie wieder dein Manuskript aus der Hand, bevor du es durchgelesen und korrigiert hast. Zweitens, schreib nicht die ersten drei Seiten lang von Sport. Drittens, Punkte und Kommas sind dazu da, Sätze zu ordnen – benutze sie, und zwar mit System.

So hart diese erste Erfahrung mit einem Probeleser auch war, so hilfreich war sie zugleich. Ich wusste jetzt nämlich, dass ich keinesfalls so gut war, wie ich dachte. Ich beschloss dranzubleiben und weiterzuschreiben. Kurzerhand habe ich die ersten Seiten grob angepasst und dann weitergemacht. Doch solange drei Monate auch erscheinen mögen. Sie gehen verdammt schnell vorbei. Und kaum war ich wieder zurück in der Arbeitswelt, hatte ich alle möglichen Ausreden, nicht mehr weiterzuschreiben. Ich hatte damals so um die vierzig Seiten und geriet ins Stocken (von geplanten Plots habe ich schon damals nichts gehalten). Zusätzlich habe ich es verpasst regelmäßig dranzubleiben und mir Ziele zu setzen, was unweigerlich dazu führte, dass ich mich jedes Mal wieder einarbeiten musste.

Und genau das ist der springende Punkt. Schreiben soll sich nicht wie Arbeit anfühlen.

Es vergingen eineinhalb Jahre, bis ich mich das nächste Mal hinters angefangene Manuskript klemmte.

Der Anfang (Teil 2) – Minimalismus

Der Anfang (Teil 3) – Hilfe, Kunde droht mit Auftrag

Der Anfang (Teil 4) – Amazon Kindle oder die Erleuchtung

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